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Lebenslinien

Auf dieser Rubrik finden sich Menschen aus unserer Heimat. Sie haben ihre Spuren hinterlassen und eine jede ist anders. Manches lässt einen innehalten, manches schmunzeln, manches lässt einen einfach nur dankbar zurück. Eines eint diese Menschen: Sie leben für ihre Heimat und nur durch sie ist eine Region unverwechselbar.

Hermann Zeller – ein Visionär und Heimatfreund

Künstler. Mächeler, Vereins- und Museumsgründer, Kreisheimatpfleger: Ohne ihn, seine Vision, sein Enthusiasmus, sein Schaffen für die Idee, seine Liebe zu den Menschen und der Heimat, gäbe es kein Schwäbisches Bauernhofmuseum Illerbeuren. Durch ihn ist es das älteste Freilichtmuseum in Süddeutschland und heute neben der Basilika Ottobeuren die beliebteste und meist besuchte Attraktion im Unterallgäu. 

Hermann Zeller wurde am 24. August 1919 in Illerbeuren geboren.  Nach Abschluss der Volksschule Illerbeuren half er von 1932 bis 1934 in der Gärtnerei seines Bruders. Von 1935 bis 1939 lernet er Schreiner bei Balthasar Schelling in Dickenreishausen. Schon in Jugendjahren zeigte Hermann Zeller großes Interesse an seiner Heimat. In seinem Elternhaus hatte er einen Raum, um seine Funde zu sammeln. Daraus wurde später ein kleines Ortsmuseum. Im Alter von 20 Jahren wurde er zum Militär einberufen; Einsatz in Frankreich und später in Russland. 1942 wurde er schwer verwundet und wurde 1944 als Schwerkriegsbeschädigter vom Militärdienst entlassen. Nach seiner Genesung stellte ihn der Oberbürgermeister der Stadt Kempten, Dr. Ott o Merkt, als seinen Assistenten für die Heimatpflege ein. Von 1945 - 1948 absolvierte Zeller eine Umschulung zum Holzbildhauer und Restaurator. Ab 1948 arbeitete er als freischaffender Holzbildhauer und Restaurator.  1947/48 organisierte er die 1000-Jahrfeier von Illerbeuren mit Festspiel über die Geschichte des 30-jährigen Krieges und mit historischem Umzug. Zu diesem Anlass wurde eine Dorfverschönerung durchgeführt mit Neuerrichtung des Dorfbrunnens, Fassadenrenovierungen, Aufstellung eines Sühnekreuzes und mehreren Ortsgedenksteinen.  Auf Zellers Initiative wurde 1948 der Heimatdienst Illertal e.V. gegründet. 1954 kauft e der Verein die St. Ulrich Sölde in Illerbeuren, um ein Museum einzurichten. Ab 1967 sammelte Hermann Zeller für das Museum nicht nur Objekte, sondern - gezielt als Rettungsmaßnahmen - auch ganze Häuser.  1955 wurde Zeller zum Kreisheimatpfleger ernannt. 1959 heiratete er die Krankenschwester Miriam Erben. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. Monika Zeller, eine der Töchter, ist heute selbst Kreisheimatpflegerin und kümmert sich um die Sammlung des Museums. 1980 wurde Zeller zum Ehrenbürger der Gemeinde Kronburg ernannt.  Bis zum 31. Dezember 1986 leitete er das Schwäbische Bauernhofmuseum in Illerbeuren. Zeller starb im Alter von 85 Jahren am 26. September 2004. Was andere als „altes Glump“ ansahen, erkannte Zeller als erhaltenswert. „Er war nicht nur handwerklich, sondern auch künstlerisch ausgebildet und konnte diese Fähigkeiten im Dienste der Heimatpflege anwenden“, beschreibt Altlandrat Dr. Hermann Haisch diesen unvergessenen Menschen.

Hermann Zeller, geboren am 24.08.1919 in Illerbeuren, gestorben am 26.09.2004 in Illerbeuren.


Miriam Zeller, Ehrenmitglied und die starke Frau an der Seite von Hermann Zeller

In letzter Zeit hat sich die Heimat verstärkt in der öffentlichen Diskussion eingenistet, ja, es wurden gar Heimatministerien geschaffen, um der Heimat hohe politische Bedeutung zu verleihen. Allerdings steht es um eine Sache, für die man Ämter, Behörden oder gar Ministerien braucht, häufig nicht zum besten, sieht man sie doch als im argen liegend an und vermutet hoheitlichen Regulierungsbedarf. Heimat berührt natürlich jeden von uns sehr persönlich: Wo man sich miserabel fühlt, will man lieber nicht daheim sein, wo es einem gut geht oder gut gegangen ist, ist man gerne beheimatet. Seine Heimat zu finden, ist aber nicht immer einfach.
Miriam Zeller ist nicht weit entfernt von den Gestaden der jungen Elbe, am Tor zum Riesengebirge, in einem kleinen Dorf nahe des kleinen Städtchens Hohenelbe mit einem schmucken Schloss und einem ehemaligen Augustinerkloster, aufgewachsen. Doch die Kindheit blieb nicht ungetrübt, denn als die Deutschen 1938 das Land besetzten, geriet ihr ihr Name bei dem von dumpfer und dummer Rassenideologie befallenen Lehrer zum Stigma, das ihr den täglichen Schulbesuch zum Leidensgang machte. Und als der Krieg zu Ende war, wurde die ganze Familie, weil deutschstämmig, 1945 zur Vorbereitung der Vertreibung in Hohenelbe ins Abschiebelager gebracht.
Miriam war 12 Jahre alt. Ihr Vater arbeitete weiterhin in einem Baugeschäft, auch ihre Mutter ging zur Arbeit, und Miriam hütete im Lager ihre beiden kleineren Brüder und passte auf das Wenige, das ihnen geblieben war, auf, damit ihnen nicht auch noch der letzte Stuhl genommen wurde. Weil der Vater tschechisch sprach, sollte die Familie zwar im Land bleiben, aber er wollte nach allem nicht mehr, und so gelangten sie nach fünf Wochen in die Vertriebenenunterkunft im Schloss Marktoberdorf.
Der Vater fand als Zimmermann rasch wieder eine Arbeit, und schließlich kam die Familie in zwei Zimmern eines Bauernhofes in Altdorf unter. Mit Lehrstellen sah es schlecht aus. Miriam arbeitete in einem Haushalt bei Wasserburg am Bodensee, betreute die Kinder, und anderthalb Jahre schuftete sie im Milchwerk Biessenhofen – den ganzen Tag die gleiche Arbeit, noch dazu im Keller.
Nachdem sie schon die Beschäftigung bei Wasserburg durch eine Stellenanzeige in der Augsburger Kirchenzeitung gefunden hatte, vertraute sie wieder diesem Blatt, bewarb sich auf eine Ausschreibung und wurde Haushaltshilfe bei einem älteren Ehepaar in Zürich. Den Sommer über fuhr man mit den Enkeln auf einen zum Feriendomizil umgebauten Bauernhof der Dienstherren im St. Gallener Rheintal. Das waren, nach all dem bisher Erlebten, glückliche Tage, zu dem das gediegene Holzhaus enorm beitrug. Das warme Holz von sanfter Färbung, seine unaufdringliche und doch lebendige Maserung schufen im Verbund mit dem trauten Umgang untereinander die Empfindung lang ersehnter Geborgenheit, und seitdem rühren sie alte Häuser in besonderer Weise an.
So schön es auch war, bot sich daraus jedoch keine Lebensperspektive. Aber die Kirchenzeitung half wiederum, denn die Krankenpflegeschule des Kreiskrankenhauses Memmingen suchte darin Schülerinnen mit Haushaltserfahrung. Miriam meldete sich an, absolvierte die Ausbildung, legte das Examen ab und begann ihre Arbeit in der Chirurgie des Krankenhauses Obergünzburg.
Sie las gerne und viel, Ganghofer, Rossegger und ähnliche Autoren, las von Liebe und Heimat. Und als sie ihrer Kollegin ihre Begeisterung für ein in der Zeitung abgebildetes Bauernhaus anvertraute, meinte diese, dass ihr Bruder genau dieses restauriert habe. Damit war eine Spur gelegt, die einige Jahre später zur Heirat mit dem Hausrestaurator und zum Umzug nach Illerbeuren führte, wo seit wenigen Jahren das Bauerhofmuseum zu besichtigen war.
Miriam Zeller gab ihre Arbeit auf, denn bald hatte sie drei Kinder zu versorgen und zu erziehen, darunter zwei Mädchen, die als Zwillinge zur Welt gekommen waren. Im Haus befand sich die Werkstatt ihres Mannes, und all die Sachen, die er fürs Museum sammelte, durchliefen erst einmal die Werkstatt, um zumindest von Schmutz und Gebrechen befreit zu werden, was den Reinigungsbedarf im Haus keineswegs minderte.
Selbstverständlich arbeitete Miriam, wenn es die Zeit zuließ und Not an der Frau war, ehrenamtlich im Museum mit, goss Blumen, versorgte den Hund, machte auch mal Führungen, und wenn wichtige Gruppen, wie etwa Kreisräte oder das Fernsehen zu Gast waren, kochte sie am offenen Feuer Kässpatzen und nahm die Versammelten für das Museum ein. Und als der unvergessene Pater Ägidius Kolb seine „Schwäbische Kuche“ ausarbeitete, war sie natürlich eine geschätzte Hilfe.
Als das Museum unter Joachim Poetter in gesicherte Bahnen kam und Stellen geschaffen wurden, das vierte Kind die ersten Jahre hinter sich hatte, begann Miriam wieder zu arbeiten, zunächst am Kreiskrankenhaus in Memmingen und zuletzt am Klinikum Memmingen. Doch bis auf den heutigen Tag ist ihr das Bauernhofmuseum Herzensheimat, und der Heimatdienst ist stolz darauf, Miriam Zeller in seinen Reihen zu haben und sie heute zum Ehrenmitglied auszeichnen zu dürfen. Dr. Otto Kettemann, 20.03.2019


Rita Vollmar - heute Ehrenmitglied und langjährige Chronistin des HDI

„I bin d´Rita!“ – doch anstelle eines freundlichen Grußes gab es nur fragende Blicke. Und da beschloss Rita Vollmar, die es als Kind aus dem beschaulichen Ottobeuren ins großstädtische Berlin verschlug, den Allgäuer Dialekt abzulegen. Sie berichtet selbst:

Im Herbst 1938 kam ich auf die Welt. Als mütterlicherseits unerwünschtes Kind (ich passte nicht in ihr Leben) nahm mich Vaters Familie im Niebers bei Ottobeuren im Alter von 5 Monaten auf und gab mir somit eine Heimat. Kontakt zur Mutter bestand so gut wie gar nicht, mein Vater durfte für Volk und Vaterland kämpfen und sterben. 1944 wurde ich in Ottobeuren zur Schule angemeldet.
Dann folgt eine Lücke im Gedächtnis, das erst wieder im Frühjahr 1945 in der Bombenhölle von Berlin einsetzt. Mutter holte mich wohl zu sich, um als begeisterte Nationalsozialistin, bei dem vorhersehbaren Kriegsende, als treusorgender Elternteil dazustehen. Nachdem das Wohnhaus durch Bomben unbewohnbar war, wurde ich bei den Großeltern mütterlicherseits südlich von Berlin untergebracht.
Dort erlebte ich den Einmarsch der roten Armee mit allen nur erdenklichen Gräueltaten.
Als das einigermaßen überstanden war, fing das große Hungern an und ich wurde wieder nach Berlin verfrachtet und als Straßenkind, weil Mutter nicht auffindbar war, mich selbst überlassen. Fremde Leute, die selber kaum etwas hatten, gaben mir zu Essen, eine Ecke auf dem Fußboden zum Schlafen und manchmal sogar warme Kleidung, nur dadurch konnte ich den sehr harten Winter 1945/46, der Berlin Temperaturen von bis zu minus 20 Grad brachte, überleben.
Der nächste Aufenthaltsort war ein Waisenhaus in Berlin; dem eine Verlegung mit einem amerikanischen Lazarettzug in Richtung München in ein Internierungslager folgte. Gefunden vom Kindersuchdienst des Deutschen Roten Kreuzes ging es 1946 endlich wieder zum Großvater ins Allgäu.
Damit war meine Odyssey aber noch nicht beendet, ich kam nach Weilheim OB zu Großvaters Schwester. Als diese nach gut 2 Jahren starb, ging es wieder zurück ins Niebers. Dort hatten in der Zwischenzeit viele Veränderungen stattgefunden. Vaters Bruder war aus französischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrt, hatte den Hof übernommen und eine Familie gegründet. Ich fühlte mich fremd und unwillkommen. 1951 packte ich mein Bündelchen und machte mich auf den Weg zur Mutter. Die Freude über ein Wiedersehen sieht anders aus, mir schlug nur blanker Hass entgegen. Warum? Ich bin bis heute nicht dahintergekommen. Folglich war das nur ein kurzes Intermezzo. Ich kam in ein klösterliches Internat. Hier konnte ich meine Schulzeit mit einem staatlichen Examen abschließen und anschließend als Schwestern-Vorschülerin in einem Krankenhaus anfangen.
1958 habe ich geheiratet;1960 kam des erste Kind, 1963 und 1968 folgten Nummer zwei und drei.
So habe ich alle meine Pläne geändert, als Büro-Kauffrau und Sekretärin mein Leben gemeistert, bis ich durch Krankheit in Frührente gehen musste. In dieser Phase erwachte in mir der Wunsch die Großstadt hinter mir zu lassen und wieder zu meinen Wurzeln zurückzukehren. 1985 fand dafür ein zaghafter Versuch statt, der dann 1988 verfestigt wurde. 1987 trat ich in den “Heimatdienst Illertal e.V.” ein und bewarb mich 1997 um eine Rolle bei dem Festspiel “Schwedenkrieg und Hexenwahn”, das im Juli 1998 Premiere hatte. 2002 übernahm ich die Aufgabe, die über 20 Jahre vernachlässigte Chronik nachzuarbeiten und weiterzuführen. Als ich mit den Arbeiten auf dem Laufenden war, übersetzte ich noch die von 1948 bis 1980 in Sütterlinschrift verfasste Chronik in die heute lesbare Form. Als mein jüngster Sohn 2013 an einem Gehirntumor starb, sah ich mich nicht mehr in der Lage, die Chronik weiter zu führen und beendete diese Tätigkeit am 31.12.2013. Rita Vollmar, Mai 2018

Rita Vollmar wurde am 06.10.1938 in Ottobeuren geboren und verstarb am 09.02.2023 in Illerbeuren.